Seine treusten Gefährten
© Pjotr X
„Mach Feuer“, brüllte eine Gestalt der anderen zu, während sie mit einem anderen Kameraden ein weiteres menschenähnliches Wesen stützend in die Kate schleppte. Danach fielen die drei Männer zu Boden, während der Vierte, sich bemühte wohltuende lebensrettende Wärme auf der Feuerstelle zu entfachen, was mit den kältestarren Fingern schwer war. Nach einer Weile erholten sie sich, und legten den Verletzten auf das, was als Bett in der Hütte gedeutet werden konnte.
Sie schauten sich an. Wie sollte es weiter gehen? Die Lage war ernst.
Jeder konnte die Situation einschätzen, alle waren erfahrene Soldaten, in diesem bitteren Krieg. Sie reichten sich ihren Restproviant, teilten ihren Tabak, und der Mann auf dem Bett hatte sogar eine Überraschung, er holte aus seinem Mantel, oder was der Rest von dem war, was er trug, eine unbeschriftete Flasche mit goldgelber Flüssigkeit. „Aus der Heimat, das hat Vater mir mitgegeben. Selbst gebrannt. Damit haben wir noch nie einen Krieg verloren!“
Er reichte das Gebräu seinen Kameraden, die einen tiefen Schluck nahmen. Das tat gut, der Alkohol sorgte für einen kurzen Schub Wärme, und auch wenn es nicht reichte, das Gehirn zu vernebeln, brachte es für den Moment des Genusses das Gefühl zu Hause zu sein.
Es gab eine Pause. Sie schlummerten ein, aber nur für einige Stunden. Hier konnten sie nicht bleiben.
„Es muss sein!“
„Ich weiß“, raunte der auf dem Bettgestell liegende. „Habt ihr mir noch einen Schluck übrig gelassen?“
Sofort wurde ihm die halbleere Flasche gereicht, die er gespendet hatte, aus der er nun einen sehr tiefen Schluck nahm, und dann gleich einen weiteren.
Er griff erneut in den Rest seines Mantels, aus dem er ein Lederetui zog. „Nur zur Vorsicht. Falls mir etwas zustößt, gebt das meiner Frau. Nichts Besonderes, nur Briefe, aber ich will, dass sie weiß, dass ich sie liebe. Auch, auch, wenn ich sie so oft allein gelassen habe.“
Er verfiel flüchtig in Gedanken. In strahlend weiß sah er sie in ihrem Hochzeitskleid vor sich. Über tausend Leute waren da, der schönste Tag seines Lebens. Wie glücklich sie beide in diesen Momenten gewesen waren. Keine seiner Beförderungen hatte ihn später so glücklich gemacht. Wie es den Kindern nun ging? Die Jungs gingen bereits zur Schule. Wie lange hatte er sie nicht gesehen? Und die Kleine, seine Tochter kannte er nur von zwei Bildern.
„Machen Sie sich keine Sorgen, wir bringen Sie nach Hause, mein General!“
„Ich weiß! – Aber nun ist es soweit, dieser gottverdammte Schuh muss runter, sonst gehe ich nirgendwo mehr hin."
Aus Tradition hatte er seit zwanzig Jahren die gleichen Stiefel getragen seit er Rekrut war, wie es sein Vater und sein Großvater und sein Urgroßvater getan hatten. Immer hatten sie ihm gute Dienste geleistet, über 5000 Meilen mochte er darin marschiert sein. Immer ging es vorwärts, nur jetzt in diesem verfluchten Winter mussten sie sich zurückziehen. Und ausgerechnet diesmal musste er Erfrierungen bekommen.
Es würde schmerzhaft werden und medizinisches Hilfsgerät hatten sie nicht, aber die Zehen mussten wieder durchblutet werden, das ging nur außerhalb der Schuhe. Die drei eiskalten Gesichter schauten sich gegenseitig an, mit den Augen gestikulierend einigten sie sich, wer was zu tun hatte.
„Nehmen Sie noch einen Schluck!“, sagte einer von ihnen, während sein Kamerad bereits den Stiefel ergriff und ohne Vorwarnung zog.
„AHHHH!“, ertönte der unmenschliche Schmerzensschrei, es war schwer den zuckenden Körper ruhig zu halten. Aus dem Stiefel kam lediglich der Stumpf eines Fußes hervor.
Alle starrten sich entsetzt an. Diesmal hatte ihn das Glück verlassen, seinen letzten Gang würde der General barfuß antreten.